Daniela Siebertz

Ressort Kommunikation, Vernetzung, Innovation


Chile bi dä Lüüt

Wenn Ursula Ambühl ihr Wohnmobil parkiert und die Türe öffnet, weiss sie nicht genau, was sie erwartet. Sind heute viele Leute unterwegs? Kommen mehr Senioren oder Mütter und Väter mit ihren Kindern vorbei? Meist sind es Spaziergänger, die die Quartier-Chile besuchen, welche als spontaner Begegnungsort von ihr konzipiert wurde. Ihre Idee war es, Menschen fünf Minuten aufzuhalten, damit diese im besten Falle mit anderen Menschen zusammentreffen, anstatt schon wieder weg zu sein. Die Sozialraum-Analyse im Rahmen ihres Studiums CAS Diakonie gab ihr den Hinweis, dass öffentliche Treffpunkte in unseren Dörfern fehlen. «Zufällig begegnet man sich, wenn überhaupt, beim Einkaufen», so Ambühl. Zusammen mit den Überlegungen, wie wir während der 15-monatigen Kirchensanierung zu Interim-Büroräumen kommen, entstand die Idee, mit der Kirche zu den Menschen in die Quartiere zu gehen.

Tatkräftige Unterstützung von allen Seiten
Bereits im Rahmen ihrer Abschlussarbeit suchte sie mit den Sozialvorstehenden in den politischen Gemeinden das Gespräch und stellte ihnen die Projektidee vor. Dank dem wohlwollenden Interesse aller beteiligten Gemeinden und der tatkräftigen Unterstützung bei der konkreten Standortsuche und entsprechenden Bewilligungen wurde die nächste Hürde genommen. Der Hausdienst holte Offerten für die Wohnmobil-Miete ein. Die definitive Zustimmung der Kirchenpflege zum Projekt-Antrag sei ein weiterer Meilenstein gewesen. Mit Flyer-Aktionen in die Briefkästen der ausgewählten Quartiere sowie in den Gemeindezeitungen machte Ambühl auf die temporären Quartiertreffs aufmerksam.

Gespräche bei Kaffee und Tee
In der Regel war sie dreimal die Woche an drei verschiedenen Standorten unterwegs. Dienstags in Unterengstringen in der Wiedenbuelstrasse, mittwochs in der Fahrweid an der Brunaustrasse und donnerstags in Oetwil an der Limmat, beim Parkplatz am Limmatuferweg.
Ambühl erhielt mehrheitlich sehr positive Rückmeldungen zu ihrem Projekt. «Wer mich besuchte und mit mir ins Gespräch kam, schätzte die Idee und die niederschwellige Begegnungsmöglichkeit», so die Sozialdiakonin. In den 15 Monaten fanden insgesamt 106 Einsätze mit über 500 Begegnungen statt. Davon waren ungefähr 280 nicht viel mehr als «Grüezi plus». Von den 231 gezählten, ausführlicheren Gesprächen fanden 119 am Campingtisch, meistens bei Kaffee oder Tee, statt.

Begegnungen, die sonst nicht gewesen wären
Für Ursula Ambühl gab es verschiedene Highlights: zum Beispiel als sich zwei Personen nach über 30 Jahren wieder trafen und gar nicht wussten, dass sie noch oder wieder so nahe beieinander wohnen. Oder die Momente, wo drei, vier Leute miteinander am Tisch sassen und ins Gespräch kamen, die sonst wohl kaum je Berührungspunkte gehabt hätten. Auch die vielen sehr persönlichen Erzählungen über Glück und Schicksale im Leben haben sie jeweils sehr bewegt.

Wertvolle Tipps einer wahren Camping-Expertin
Bei ihrem ersten Campieren machte sie eine jüngere Anwohnerin sehr freundlich darauf aufmerksam, dass bereits die runtergelassene Treppe als campieren gelte und somit verboten sei. Wenn die Polizei käme, würde das etwas kosten. Die Anwohnerin war dann etwas erstaunt, als sie ihr erzählt hatte, dass die Gemeindeverwaltung informiert sei und sie sogar zugestimmt hätte, dass sie wöchentlich raus tischen und Gäste empfangen darf. Es stellte sich heraus, dass diese Dame eine wahre Camping-Expertin war. Sie kam dann regelmässig vorbei und gab ihr wertvolle Tipps, wenn irgendwo beim Wohnmobil etwas nicht funktionierte wie es sollte. So wurden die beiden Frauen vertrauter miteinander und es gab über die Wochen und Monate immer wieder sehr nette Gespräche.

Mit dem Abschluss der Umbauarbeiten im Kirchenzentrum in Geroldswil und der «Rückkehr ins Büro» nahm das «Wohnmobil-Projekt» sein Ende. Ursula Ambühl hat aber bereits eine neue Idee. Ein paar Nachmittage will sie mit dem Lastenrad unterwegs sein und herausfinden, ob es noch spontaner zu Begegnungen kommen kann.